Als Jugendlicher kam Raphael Soler Lopez auf die schiefe Bahn. Heute ist er Inhaber eines Dachdeckerbetriebs und möchte Jugendlichen, die sich im Leben nicht zurechtfinden, eine Lehrstelle anbieten.
Mit einer älteren Schwester und einem jüngeren Bruder wächst Raphael bei seiner alleinerziehenden Mutter in Herten auf. „Mein Vater hatte uns verlassen, als meine Mutter noch schwanger war.“ Das Stigma des Außenseiters haftet ihm früh an: „Für die anderen Eltern war ich der Junge, mit dem niemand spielen durfte.“ Er trug ein großes Aggressionspotenzial in sich und wusste nicht, wohin mit seiner Wut.
„Dabei habe ich es eigentlich nie böse gemeint“, sagt er heute in der Rückschau. „Irgendwann bin ich zum Boxtraining im Jugendzentrum Nord gekommen - und da habe ich gelernt, mit meiner Wut besser umzugehen. Wenn man nicht weiß, wohin mit seinen Aggressionen, ist das furchtbar. Dann schwirrt einem etwas ganz Diffuses im Kopf herum.“ Beim Boxen lernt der Hertener, dass man auch einstecken muss: „Wer kräftig zuschlagen kann, muss auch hart im Nehmen sein.“ Und wie im richtigen Leben ist das Boxen ein nicht planbares Wechselspiel aus Höhen und Tiefen. Das Jugendzentrum Nord wird für ihn so zu einer Art Familienersatz.
„Heute bin ich froh und dankbar, dass sie immer für mich da waren. Ich konnte kürzlich etwas zurückgeben.“ Denn das JZ Nord hat sich einen Kleinbus-Transporter für Ausflüge und Jugendfreizeiten angeschafft – und der Handwerker aus Herten konnte sich mit einer Geldspende daran beteiligen. „Das Jugendzentrum war eine wichtige Anlaufstelle für mich. Sie haben mich immer unterstützt, wenn es mir nicht gut ging.“
Handwerk mit Herz
Irgendwann realisierte der Dachdecker-Meister, dass er sein Leben in die Hand nehmen muss, um es in etwas Positives zu verwandeln. „Der Dachdeckerbetrieb gehört mir jetzt seit dem Jahr 2023. Es liegt mir sehr am Herzen, Jugendliche für das Handwerk zu begeistern und ich scheue mich nicht davor, junge Menschen aus schwierigen Lebenssituationen oder aus zerrütteten Familienverhältnissen in mein Team zu integrieren.“ An der Meisterschule hat Raphael an vielen Wochenenden gelernt, um das Zertifikat zu bekommen, mit dem er seinen Handwerks betrieb führen kann. Dort geht es neben theoretischem Wissen zu Metallarbeiten und dem Dachstuhlausbau auch um Betriebsführung und um die tägliche Arbeit. „Wir haben jeden Tag mit Mathematik zu tun - um Flächen zu berechnen, Mengen, Dämmstoffdicken oder Lattenmaße zu ermitteln, das ist ganz wichtig. Und das muss ich auch von meinen Lehrlingen verlangen.“ Teilhabe und Partizipation lebt er als Chef vor: „Wenn wir auf einer Baustelle sind, da gehe ich natürlich auch mit auf das Dach und packe mit an.“
Teamarbeit schafft Werte
Das Zugehörigkeitsgefühl, das ihm als Heranwachsender fehlte, gibt er heute an seine Mitarbeiter weiter. „Es geht darum, mit den eigenen Händen etwas zu schaffen. Das ist gut für Selbstwertgefühl und die Selbstwirksamkeit“, sagt Raphael und ergänzt: „Ich habe mittlerweile nicht mehr dieses Gefühl, dass mich die Menschen toll finden müssen. Ich habe heute das Selbstbewusstsein zu sagen: Entweder man mag mich oder man mag mich halt nicht.“ Dann rufen ihn seine Kollegen, er soll noch einmal aufs Dach, dort haben sie heute ein Fenster eingesetzt. Seitlich müssen noch Dachziegel mit der Flex eingepasst und
zugeschnitten werden. Das geht natürlich im Team viel besser, als alleine.
INFO:
Lopez-dach.de