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Stromnetz der Zukunft
Die Auslastung dieser Trafostation können Marco Netz (r.) und Thomas Knels in Echtzeit verfolgen. / Fotos: Volker Beushausen

Stromnetz der Zukunft

Lesedauer: ca. 2 Min. | Text: Jakob Surkemper

Solaranlagen, Wärmepumpen und E-Autos beanspruchen das Stromnetz. Deshalb rüsten die Hertener Stadtwerke unter der Regie von Marco Netz gerade 25 Trafostationen mit neuer Messtechnik aus – ein Schritt hin zum smarten Stromnetz.

Eine dieser Ortsnetzstationen liegt direkt an der Hauptverwaltung der Hertener Stadtwerke. In dem garagengroßen Raum verlaufen hinter grauen Schranktüren mehrere Kabelstränge. Vor Kopf trifft sich alles in einem Transformator. „Dieser wandelt die Mittelspannung mit zehn Kilovolt auf Niederspannung mit 400 Volt um“, erklärt Marco Netz. Der Planungsleiter Stromnetz der Hertener Stadtwerke deutet von den dünnen roten Kabeln, die von rechts kommen, nach links auf 20 dickere schwarze Kabel, die dort den Transformator verlassen und zu einer Niederspannungshauptverteilung führen. „Von dieser Verteilung abgehend werden jeweils einzelne Straßenzüge und insgesamt rund 400 Haushalte versorgt.“

An jedem Abgangskabel sind kleine schwarze Kästchen befestigt. Das ist neu. „Diese Betriebsmittel werden zur Erfassung des elektrischen Stroms eingesetzt“, erklärt Netz. In einer etwas größeren Box laufen die Messwerte zusammen und werden über das Mobilfunknetz abrufbar. So lassen sich die Stromverbräuche bzw. -überschüsse aus Einspeisungen in Echtzeit abrufen und tagesaktuell auswerten.

Wie das aussieht, demonstriert Netz auf dem Bildschirm in seinem Büro. Dort kann er sich jede der 14 bereits umgerüsteten Stationen anzeigen lassen. So sieht er, dass die Station „Mühlenstraße“ aktuell zu 16 Prozent ausgelastet ist. Kurze Zeit später sinkt der Wert auf 13, dann auf zwölf Prozent. Ein zweiter Bildschirm zeigt die Auslastung eines ganzen Tages: Morgens steigt die Leistungskurve an, sinkt zum Mittag sogar bis in den negativen Bereich ab, um zum Abend wieder anzusteigen. „Die Menschen fahren zur Arbeit und der lokale Leistungsbedarf sinkt, während die Erzeugungsleistung von Solaranlagen steigt. Das führt irgendwann zu einer Lastflussrichtungsumkehr, also einer Überspeisung von elektrischer Energie“, interpretiert der Elektroingenieur die Daten.

Mehr Schwankungen im Netz
Durch die Dezentralisierung der Stromerzeugung und neue Verbrauchsstellen seien Verbräuche und Erzeugung deutlich volatiler geworden und mehr Echtzeitdaten nötig, so Netz. 25 von 200 Trafostationen an strategisch ausgewählten Punkten sollen deshalb bis Jahresende umgerüstet sein. „Dann erhalten wir ein repräsentatives Bild der Netzauslastungen.“ Die neue Messtechnik ermögliche es, Schwachstellen zu identifizieren, um diese gezielt beseitigen zu können. „Bisher allerdings“, sagt Netz, „waren die Schwankungen moderater als befürchtet, sodass kein akuter Handlungsbedarf besteht.“ Langfristig könne sich dies aber durchaus ändern.

Fotos: Volker Beushausen; Illustration: Jens Valtwies

Dynamische Tarife ab 2025
Dem sollen auch dynamische Stromtarife entgegenwirken, die jeder Stromversorger ab 2025 anbieten muss. Sie sollen Anreize schaffen, Strom dann zu verbrauchen, wenn er reichlich vorhanden und damit günstig ist. Auch dafür sind Kennzahlen über die Auslastung der Netze im Tagesverlauf nötig – neben intelligenten Zählern beim Endverbraucher, sogenannten Smart Metern. Etwa 250 solcher Geräte haben die Hertener Stadtwerke bereits verbaut. Bis spätestens 2030 sollen es rund 3000 sein. Der digitale Zähler allein, über den bis 2030 jeder Hertener Haushalt verfügen soll, reicht aber nicht; es bedarf eines zusätzlichen Gateways, betont Thomas Knels, Abteilungsgruppenleiter Messstellenbetrieb. Ein vollständiger Rollout – dies wären in Herten etwa 40.000 Zusatzmodule – sei nicht wirtschaftlich, so Knels.

Nach jetziger Gesetzeslage beschränke man sich auf größere Verbraucher (ab 6 MWh/Jahr) bzw. -Erzeuger (größer 7 KWp). Beim Einbau von Wallboxen oder Wärmepumpen mit einer Leistung größer 4,2 KWp sei seit Jahresbeginn zusätzlich eine Steuereinheit verpflichtend, die im Falle einer Netzüberlastung den Stromverbrauch auf Anweisung des Netzbetreibers begrenzen muss. „Hierfür ist es für uns als Versorger von enormer Bedeutung, so viele Messwerte wie möglich aus dem Niederspannungsnetz zu erhalten“, erklärt Knels. „Auch dafür brauchen wir die Echtzeitdaten der neuen Messstellen.“

Info Hertener Stadtwerke
Hertener Stadtwerke

Herner Straße 21
45699 Herten

hertener-stadtwerke.de

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