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High zusammen!
Foto: Marco Stepniak

High zusammen!

Lesedauer: ca. 2 Min. | Text: Laura Tirier

Während Alkoholwerbung das Stadtbild dominiert, versteckt sich der Cannabis Club Castrop in einem Hinterhof in Datteln. Die Gründer Timo Vieting und André Lattner kämpfen nicht nur gegen Vorurteile, sondern auch gegen bürokratische Hürden – für einen neuen, verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis.

Die Kontraste könnten kaum größer sein. Ent- minieren sie das Stadtbild: großformatige Werbeplakate von denen strahlende Menschen auf die Passanten herabblicken, in den Händen Bierflaschen und Whiskeygläser. Jung und alt, männlich und weiblich, verschiedenste Hautfarben – was sie eint, ist der Alkohol. Deutlich dezenter präsentiert sich dagegen die Adresse am Südring. Keine Leuchtreklame, kein Logo an der Fassade, kein Schild am Eingang. Erst wer ge-
nauer hinsieht, entdeckt den unscheinbaren Zettel mit der Aufschrift „Eingang Cannabis Club im Hinterhof“ am Brief- kasten. Hier, abseits der Hauptstraße, haben Timo Vieting und André Lattner den Cannabis Club Castrop eingerichtet, den zweiten seiner Art in ganz NRW.

Viel Aufwand für die Legalität

Auf knapp 3.000 Quadratmetern haben die beiden in dem alten Wohlfahrtszentrum einen Ort geschaffen, an dem bald über 20 verschiedene Sorten Cannabis angebaut wer-
den sollen. Im Keller wachsen bereits die ersten Pflanzen. Der Weg zur Gründung des Clubs war dabei alles andere als einfach, denn die bürokratischen Hürden sind enorm. Der Club musste große Summen investieren, um gesetzlichen Vorgaben zu genügen und überhaupt öffnen zu können. Summen, für die André und Timo grade stehen müssen. „Das ist ein Risiko, was wir hier eingegangen sind,aber wir sind hier mit dem Herz dabei.“ Die beiden Gründer
sowie auch ihre Mitglieder wünschen sich ein Umdenken,
nicht nur in Bezug auf Cannabis, sondern auf alle Rausch-
mittel.


Gesellschaftliche Doppelmoral


Denn während der Aperitif zum Geschäftsessen und das Feierabendbier zur deutschen Kultur gehören wie Bratwurst und Sauerkraut, kämpfen Cannabis-Konsumenten noch immer gegen Vorurteile an. Eine Schieflage, die André und Timo aufbrechen wollen. „Wir möchten neue Traditionen schaffen“, erklärt André. Dem Cannabis-Konsum hafte noch immer das Image von Kriminalität und Sucht an, dabei sei es gerade das Verbot, dass Konsumen-ten in die kriminellen Kreise treibe. „Es geht uns um einen kultivierten, bewussten Umgang mit Cannabis“, betont Timo. „Genau wie beim Wein soll auch hier Qualität und Verantwortung im Vordergrund stehen – nicht der Rausch um jeden Preis.“ Die Legalisierung sei der erste Schritt, die kriminellen Strukturen aufzubrechen und da- für zu sorgen, dass Konsumenten „sauberen und sicheren“ Stoff zur Verfügung haben können.


Prävention und Verantwortung


André und Timo sind sich ihrer Verantwortung als Vorreiter dieser neuen Zeit bewusst. Der Club hat eine Präventionsbeauftragte, es liegen Broschüren zu Suchtprävention aus, die man sich auch anonym und kostenlos zusenden lassen kann, Kurse für Eltern sind geplant, zur Aufklärung und zum Schutz der Jugendlichen. „Unsere Altersgrenze für die Abgabe liegt bei 21 Jahren, wir möchten keinen jugendlichen Missbrauch fördern“, meint Timo. „Unsere Mitglieder sind Lehrer, Ärzte, Rentner, ganz normale Leute mitten aus der Gesellschaft.“ Viele seien ältere Konsumenten, die 20, 30 Jahre lang gar nicht konsumiert hätten, aus
Sorge vor dem kriminellen Umfeld des Schwarzmarktes und dem gestreckten Stoff. Diese Menschen freuen sich jetzt umso mehr über die Legalisierung. Doch noch bleibt die Legalisierung halbherzig: „Wir dürfen nicht mehr als 500 Mitglieder haben. Und jede Entscheidung könnte auch wieder zurückgenommen werden.“ Für die Zukunft erhoffen sie sich eine vollständige Legalisierung. „Wir hoffen, dass Cannabis irgendwann gesellschaftlich akzeptiert wird und wir uns nicht mehr verstecken müssen“, sagt André.

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